Auf Ibiza hatte ich einen Freund, Achim. Er kam aus Nürnberg und das hörte man auch.
Oft gingen wir abends zum Essen aus und er bestand immer darauf, dass wir seinen Lieblingswein bestellten. Warum auch nicht. Er rief dann laut dem Kellner hinterher´: „Draenos un Sichlo Saggo.“ „Una Botella?“ fragte der Kellner. „Hombre, no freilich!“
Den Wein gibt es heute noch und er heißt heute noch Siglo Saco. Die Flasche wird in einen Sack eingenäht, das schützte beim Transport auf Eselskarren und hat sich einfach erhalten. Meist blieb es nicht bei einer Flasche. Ich fuhr ihn immer nach Hause zu seiner Inge, deren Hund ihn verlässlich verbellte, weil er den Betrunkenen nicht erkannte. Ich war natürlich nicht weniger voll. Damals galt auf Ibiza die Regel, solange man keinen Unfall baut, gibt es keine Promillegrenze. Das war natürlich in höchstem Maße unverantwortlich. Wir waren allerdings alle durchgehend unverantwortlich. Wir lebten in den Tag hinein und wunderten uns, wenn wir im Winter, wenn die Touristen ausblieben, kein Geld mehr hatten.
Achim hatte Glück, seine Inge war im Immobiliengeschäft. Da lief immer irgendwas.
Eines Tages kam es ganz aufgeregt in die Bar, wo wir morgens immer unseren café con leche zu uns nahmen. Also, das gestern, das sei wirklich ein tolles Erlebnis gewesen. Er sei „bei die Doro“ gewesen.
Vorsichtig fragte ich ihn, ob ihm denn seine Inge nicht genug sei, ob er denn wirklich seinen Status als im Winter ausgehaltener Liebhaber aufs Spiel setzen wolle? Achim sah mich verständnislos an. Erst dann schaltete ich meinen fränkischen Sprachumwandler ein und übersetzte: Er war nicht bei einer womöglich hübschen Dame namens Doro gewesen sondern bei den Stieren, „bei den Toros.“
Damals gab es in der Stadt Ibiza noch eine Stierkampfarena. Später kaufte sie mein Freund Pepe, er mit dem langen Nagel am kleinen Finger, auf, und baute dort ohne jegliche Baugenehmigung einen überdachten Markt hin. Zu seinem größten Erstaunen musste er das Werk nach jahrelangem Tauziehen wieder abreißen. Pepe schimpfte auf die Demokratie und meinte, unter Franco wäre ihm das nicht passiert, womit er wahrscheinlich richtig lag. Das Rund der Arena kann man noch heute vor dem Hotel Royal Plaza sehen.
Nach Ibiza kamen nur unbedeutende Toreros. Einer war ein Deutscher, Rüdiger von der Goltz. Den habe ich mal interviewt. Damals war ich Sprecher beim deutschsprachigen Radio auf Ibiza.
Aber zurück zu Achim. Der wandelte sich in Kürze zum Stierkampfexperten, schwärmte von der männlichen Eleganz der Toreros, der „bravura“ der Stiere und der Leichtfüßigkeit der Banderilleros, „die wo dena Fregger die Fähnla nein Rüggn steggn.“
Er ließ fortan keine der seltenen Corridas aus und träumte davon, einmal in Madrid oder Sevilla einen der Großen zu sehen.
Es wurde nichts daraus. Er verließ die Insel gedemütigt, enttäuscht und verzweifelt in Richtung Nürnberg. Er hatte eine Affaire mit Concha, einer feurigen Andalusierin, die er in der Arena kennen gelernt hatte.
Inge fand das heraus und verstieß ihn. Und so ganz ohne die Unterstützung seiner Gönnerin konnte er nicht leben, er hätte ja ganzjährig arbeiten müssen. Wer will das schon auf Ibiza.